Montag, 29. September 2008

Des Lebens Paradoxien

Es gibt im Leben viele Paradoxien, wahrscheinlich ebenso viele wie Galaxien, was mit der sprachlichen Ähnlichkeit zusammen hängen kann. Nehmen wir einmal die Tatsache, dass kein Mensch unsterblich ist und doch sich selbst in seinen Nachkommen unsterblich macht. Anhand der DNA eines in der Bronzezeit verstorbenen Menschen und eines, heute in der Nähe des Fundortes der Knochen des ersteren, lebenden Menschen, konnte nachgewiesen werden, dass der Tote ein direkter Vorfahre dieses lebenden Menschen ist. Mehr als 3000 Jahre lang haben demnach Teile seiner Sippe ihren Lebenraum niemals verlassen, sind also durchaus als 'bodenständig' zu bezeichnen. Trotzdem zeigt die Sache eines um so klarer: Unser Leben ist etwas, aus dem wir (obwohl man uns zu Hauf Lebensversicherungen anbietet) mit 100-prozentiger Sicherheit nicht lebend herauskommen werden.

Mit Lebensversicherungen ist es also in etwa genauso, wie mit Liebesversicherungen oder -beteuerungen. Wahrscheinlich hat man eine Lebensversicherung nur deshalb so genannt, weil sich der Ausdruck Todes-Versicherung nicht so gut anhört. Oder man hat den Begriff 'Todes-Versicherung' offen gelassen für das noch folgende größte Versicherungsgeschäft aller Zeiten: "Wenn Sie tatsächlich nicht sterben sollten, zahlen wir Ihnen hierfür einen Betrag von 100 Millionen Euro ... auszahlbar an Ihrem 250. Geburtstag" oder so ähnlich wird das späterdann heißen, man kennt das ja. Auf jeden Fall wird das für die Versicherungsbrance ein todsicheres Geschäft. Selbst der Versicherungsfall Jesus ist bis heute durch die 'Münchner Rück' noch nicht vollständig anerkannt.

Des Lebens Paradoxien schlendern durch die Zeiten. Nehmen wir doch einmal die Kriegsführung: Soldaten werden da nicht einfach, obwohl das im Krieg ja hin und wieder ein- oder zweimal passieren soll, von einer Granate zerfetzt, einem Bajonett aufgeschlitzt, von freundlichem Feuer verkohlt oder von einem sinkenden Schlachtschiff im Meer ersäuft. Nein! Gott bewahre! - Soldaten fallen. Seie fallen im Krieg, so als ob sie jederzeit wieder aufstehen könnten. "Schütze Meyer! Sie haben lang genug faul und halb verwest rumgelegen. Jetzt rappelnSie sich mal wieder auf. Haben Sie sich nicht so. Sie sind doch nur gefallen.Also: aufstehn, aufstehn!".

Oder schauen wir uns mal um bei Geheimdienstmitarbeitern. "Was wir hier machen sind saubere Sachen;
absolut wertfrei, da gibt's gar nichts zu lachen." O-Ton Heinz Rudolf Kunze, und der muss es ja schließlich wissen. Feindliche Agenten, die werden nicht mit präparierten Schirmen vergiftet, von Scharfschützen erschossen oder in ihrem Auto in die Luft gesprengt. Sie werden nicht von Lastwagen überfahren, von sadistischen Diktatoren nach wochenlangen Tantalusqualen ins Jenseits befördert oder bekommen von freundlichen Amerikanern so lange die Haare gewaschen, bis ihnen das Wasser zum Halse heraushängt; 'Waschen, legen, schneiden'. Um politisch korrekt zu sein, darf ich die Russen nicht vergessen. "Meine Name ist Tilly und was das 'Palmolive Polonium' angeht: Sie baden gerade ihre Hände drin." - Gegnerische Geheimdienstmitarbeiter werden ausgeschaltet, gerade so, wie das Licht im Schlafzimmer. Mit einem Druck auf den Schalter kann man das Licht jederzeit wieder einschalten. Also kann man das mit ausgeschalteten Agenten auch.

Aber wir brauchen doch gar nicht so weit zu gehen um Lebens-Paradoxien zu finden. Schauen wir uns einfach einmal unser eigenes Land an. Das Schulfreiheitsgesetz in Hessen regelte seinerzeit nicht etwa die Schulfreiheitswahl der Eltern, sondern schränkte sie ein. Folgerichtig erleichterte das Steuererleichterungsgesetz auch nicht etwa dem Bürger dessen Arbei, sondern dem Staat. Die SPD hat Hartz IV in Wirklichkeit gar nicht so gewollt und gemeint ('gemeint' kommt übrigens von 'gemein' - Wortstammbildung, Quinta oder Quarta, ich weiß es nicht mehr so genau). Die Idee war doch nur, die Arbeitslosigkeit 2006 kurzzeitig, aber ungewöhnlich hoch zu senken, damit Schröder wieder gewählt wird um seine Agenda 2010 weiterzuführen. Kontte doch keine ahnen, dass Hartz IV so missverstanden wird. Hätte man aber doch, denn Hartz IV klingt eher nach einer Weltraumstation auf einem Jupitermond, auf der Erze abgebaut werden wie in dem Film mit Sean Connery, und bei weitem nicht so schön wie seine Sachvorgänger - wir betonen jetzt immer die zweite Silbe - ArbeitslosenHILFE und SozialHILFE. Wer ist damals bloß auf die Idee mit diesem Namen gekommen? Hartz IV? So was ist einfach paradox.

Natürlich hat die CSU seinerzeit in ihrem Land auch nicht 17,3 Prozent ihrer Wähler verloren sondern (Zitat) "... eindrucksvoll ihre Rolle als stärkste Kraft des demokratischen Zentralismus in der DDR ..." ...äh ... da habe ich gerade etwas verwechselt ... äh ... "e
indrucksvoll ihre Rolle als stärkste Kraft des bürgerlichen Lagers in Bayern bewiesen".

Und was ist mit dem Mann mit dem grünen Daumen, ich meine dem Mann, der
bei seiner Fernsehansprache am 01. Juli 1990 den Menschen versprach, dass es keinem durch die Vereinigung Deutschlands schlechter, aber vielen besser gehen werde. Es ist der gleiche Mann, der, zur Affäre Barschel befragt und zu dem, was damals im Schleswig-Holstein genau vorgefallen war, antwortet: "Das waren schwarze Schatten". Wenig später wurde der gleiche Mann vor einem Untersuchungsausschuss gefragt, warum er nichts zur Herkunft der zwei Millionen DM Spendengeldern sagen würde, die er persönlich für seine Partei entgegen genommen hätte. Er sagte damals, er hätte den Spendern sein Ehrenwort gegeben, deren Namen zu verschweigen. Man sagte ihm darauf hin, das er gemäß des Parteiengesetzes, eines gesetzes, welches er als Bundeskanzler selbst unterzeichnet hatte, und der darin verankerten Publikationspflicht, zur Auskunft verpflichtet ist. Der Mann, ich glaube Kohl hieß er, schwieg. Auf den Vorwurf, er, Kohl, habe zudem die Unwahrheit gesagt und uneidliche Falschaussagen in Bezug auf seine Kenntnis des Zweckes der sog. 'Staatsbürgerlichen Vereinigung' als Spendenbeschaffungsanlage gemacht, verteidigte ihn sein Anwalt und Parteifreund Heiner Geißler mit der Feststellung, er, Kohl, habe bei seiner Aussage wahrscheinlich einen "Blackout" gehabt.

Fordern und Handeln sind im Leben immer schon zwei Dinge gewesen. Das ist im Grunde nicht paradox. Paradox ist es da schon eher zu nennen, dass es trotz allem immer wieder Menschen gibt, die den Grundsatz "Ich dien" wörtlich nehmen und ihrem Land dienen. "Ich dien" ist übrigens ein deutscher Spruch, der seit 700 Jahren der Leitspruch des britischen Prince of Wales ist, was durchaus auch zum Thema passt.

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