Mittwoch, 28. Mai 2008

Recht ./. Leben

Ein junger Mann erzählte in einer Talkshow zum Thema 'Justizirrtümer', wie eines Tages Polizisten vor seiner Tür standen und ihn fragten, ob sie sich mal bei ihm umsehen könne. Er wurde (wie sich erst viel später herausstellte) mit einer anderen Person verwechselt und, owohl man in seiner Wohnung nichts Verdächtiges fand, festgenommen. Es folgte eine Untersuchungshaft, während der nichts weiter untersucht wurde, und ein Prozess, in dem sein Pflichtverteidiger nichts weiter tat als seine Pflicht.

Der junge Mann wurde wegen eines Überfalls, den er nicht begangen hatte, zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt und blieb mehr als 18 Monate im Gefängnis, bis sich der wirkliche Täter bei der Polizei stellte, weil ihn dessen Freundin dazu gedrängt hatte. Sämtliche Kontrollmechanismen der Justiz versagten, und alles, das schief gehen konnte, ging für den Mann schief, bis hin zu einem Mordversuch an ihm, wegen dem zwei Mitgefangene zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Er habe sich nicht dem Knastleben angepasst, erzählten sie vor Gericht als Grund für den versuchten Mord.


Der junge Mann erzählte alles mit einer Ruhe, als hätte er gerade einen Zug verpasst. Sogar seine Freilassung hatte sich um einen Tag verzögert, weil die Sekretärin des Richters, der seine Freilassung verfügt hatte, gerade im Urlaub war. Niemand habe sich jemals bei ihm entschuldigt, sagte er. Als Haftentschädigung habe er knapp 5.500 Euro erhalten, damit war die Sache für die Justiz beendet und er durfte sein Leben neu aufbauen, denn seine Wohnung war inzwischen wegen Nicht-Zahlung der Miete gekündigt, sämtlicher Hausstand aufgelöst und entsorgt. Nichts, selbst das Intimste und Privateste, war ihm im Leben mehr geblieben.

"Das alles ist schrecklich, aber so ist nun einmal das Leben", kommentierte ein ehemaliger Richter am Landgericht, wobei er sich Mühe gab, die Not des unschuldig Verurteilten zu verstehen und fügte an: "Jeder kann sich mal irren." - Jawohl: Irren ist menschlich ... und hat oft unmenschliche Folgen.

Endlich mal eine Talkshow ohne Politikdarsteller und Laienschauspieler, ohne Sex und doppelte Moral, ohne Hartz IV Debatte und Vaterschaftstest. Dafür mitten aus dem Leben und zwar dem Leben, um das der junge Mann wie der Fernsehzuschauer betrogen wurde und wird.

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